Balkansprachen

Balkansprachen
Bạlkansprachen,
 
die im Balkanraum verbreiteten Sprachen, insoweit sie sich trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft aufgrund zahlreichen sprachlichen Gemeinsamkeiten zu einem »Sprachbund« (balkanischer Sprachbund) zusammenschließen lassen. In diesem Sinn sind Balkansprachen: 1) die griechische (neugriechische) Sprache, 2) die albanische Sprache, 3) die rumänische Sprache, 4) die bulgarische Sprache, 5) die makedonische Sprache, 6) zum Teil die serbische Sprache. Nicht zu den Balkansprachen i. e. S. zählt die türkische Sprache. Die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen indogermanischen Sprachgruppen angehörenden Balkansprachen sind das Ergebnis vielfältiger sprachlicher Kontaktbeziehungen, die durch die geschichtlichen Ereignisse im Balkanraum von der Zeit der Gräzisierung und Romanisierung bis zum Beginn der Türkenherrschaft bedingt sind.
 
Grammatische Merkmale der Balkansprachen sind u. a. der nachgestellte (postponierte) Artikel, der formale Zusammenfall von Genitiv und Dativ, die Bildung der Zahlreihe 11-19 nach dem Muster »eins, zwei,. .., neun auf zehn«, die Bildung des Futurs mittels »wollen«, der Verlust des Infinitivs als Formenkategorie und sein Ersatz durch Nebensatzkonstruktionen. Nicht alle diese Erscheinungen sind jeweils allen Balkansprachen eigen. Im Albanischen, Rumänischen, Bulgarischen und Makedonischen sind sie stärker vertreten als im Griechischen oder im Serbokroatischen. Die grammatische Annäherung der auch typologisch zunächst verschiedenen Balkansprachen wird zum Teil der gegenseitigen Beeinflussung der Balkansprachen selbst, zum Teil dem Einfluss des Balkanlateins und des Spätgriechischen zugeschrieben, zum Teil auch als Nachwirkung alter balkanischer Substratsprachen (Thrakisch, Illyrisch u. a.) angesehen. - Die zahlreichen Gemeinsamkeiten des Wortschatzes sind größtenteils Ergebnis komplizierter Lehnvorgänge, die sich aus wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Berührungen erklären. Ein Teil der Lehnwörter entstammt dem Balkanlatein und dem Spätgriechischen sowie dem Türkischen. Der Teil des Wortschatzes der Balkansprachen, der sich der Etymologie entzieht, scheint auf alte balkanische Substratsprachen zurückzugehen.
 
Die Erforschung der Balkansprachen ist Gegenstand der Balkanlinguistik. Die Balkanphilologie (Balkanologie) bezieht darüber hinaus die Literaturen und Volksüberlieferungen der Balkanvölker ein.
 
 
P. Papahagi: Parallele Ausdrücke u. Redensarten im Rumänischen, Albanesischen, Neugriechischen u. Bulgarischen, in: Jahresbericht des Inst. für rumän. Sprache in Leipzig, Jg. 14 (1908);
 J. K. Sandfeld: Linguistique balkanique (Neuausg. Paris 1968);
 H. W. Schaller: Die B. (1975);
 G. R. Solta: Einf. in die Balkanlinguistik. .. (1980).
 
 
Bibliographie d'études balkaniques (Sofia 1966 ff.);
 
H. W. Schaller: Bibliogr. zur Balkanphilologie (1977).
 
Zeitschriften:
 
Balkan-Archiv, Jg. 1-4 (1925-28),
 
N. F. (1976 ff.);
 
Revue internationale des études balkaniques, Jg. 1-7 (Belgrad 1934-40);
 
Balkansko ezikoznanie/Linguistique balkanique (Sofia 1959 ff.);
 
Ztschr. für Balkanologie (1962 ff.);
 
Revue des études sud-est-européennes (Bukarest 1963 ff.).

Universal-Lexikon. 2012.

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